Der Klassiker.
Ich veröffentliche hier einen Artikel oder spreche mit Menschen über meine Entscheidung und zack! mein Blickwinkel verändert sich und ich habe auf einmal neue Ideen, schätze die Sache ganz anders ein, finde Erklärungen für den Teil, den ich mir vorher schön geredet habe und schon verändert sich meine Entscheidung.
Von außen sieht das so aus als wäre ich wechselhaft und könnte mich nicht festlegen. Das ist an vielen Stellen sehr belastend für mich, denn die Menschen fangen an mich nicht mehr ernst zu nehmen - in allen Bereichen des Lebens. Denn sie sehen nicht, dass es sich hierbei "nur" um den Bereich der Berufswahl handelt und dass ich eben in anderen Bereichen sehr fundiert bin.
Was mich gestört hat...
Ich habe mich ja mit dem Lehramt beschäftigt und bin zu dem Entschluss gekommen, dass ich es probieren möchte, weil ich mich beim Modell des fünffältigen Dienstes eben auch damit identifizieren konnte. Und das tue ich auch weiterhin. Ich denke, dass ich auch eine gute Lehrerin sein kann. Das "Problem" an dem Studiengang in Leipzig ist, dass ich als Hauptfach "Wirtschaft und Verwaltung" wählen muss.
Ich neige dazu mir die Dinge schön zu reden und habe eben in den letzten Wochen versucht mich mit dem Fach auseinander zu setzen und mich weiterzubilden. Dabei ist mir natürlich aufgefallen, dass das Thema ziemlich trocken und auch nur in geringem Maß meinem Interesse entspricht. Was mich dabei interessiert, sind die gesellschaftlichen Zusammenhänge. Wie kann man die Wirtschaft so nutzbar machen, dass sie dem Menschen dient und nicht der Mensch der Wirtschaft dient?
Natürlich besteht der Studiengang aber eben vor allem aus vielen Definitionen und da es ja am Ende um die Ausbildung von jungen Menschen in Vorbereitung auf einen Beruf geht, ist der kaufmännische Anteil sehr groß. Meine Haltung ist allgemein "ich werde das schon schaffen", was an manchen Stellen auch stimmt, gleichzeitig neige ich dadurch dazu mich zu überschätzen.
Realistisch zu bleiben lerne ich in den letzten Jahren intensiv und beschäftige mich daher eben auch umfassend und lange damit, um ein gewisses Maß an Weisheit zu erreichen. Weisheit besteht immer aus Wissen und Erfahrung. Und im Internetzeitalter kann man auf Wissen ja sehr gut zugreifen, aber Erfahrungen kann ich eben zu einem bestimmten Teil nur selbst machen. Und dafür muss ich mutig sein, Schritte gehen und eben auch Fehler machen.
Was gestern geschah...
Gestern Abend war ich bei einem Freund und habe zwei wunderbare Frauen kennengelernt. Wir hatten sehr gute Gespräche und eine der beiden ist jetzt an der CVJM in Kassel im berufsbegleitenden Studium. Sie hat jahrelang im Sozialen Bereich studiert und während ich so von meinem aktuellen Denkprozess erzählte und wir über verschiedene Themen sprachen, sagte sie immer wieder "Das gehört auch zur Sozialen Arbeit". Das war ziemlich witzig, weil irgendwie alles, was ich so denke und erzähle im Studium auch besprochen wird.
Letztendlich war dieser Abend unendlich wertvoll für mich und ich werde mich nun doch nochmal mit dem Studiengang beschäftigen.
Bisher hat mich eine "Familienproblematik" davon abgehalten. Meine Eltern haben sich scheiden lassen als ich etwa drei Jahre alt war. Das ist für mich nie ein Problem gewesen, weil ich es nicht anders kannte und zu beiden guten und wertvollen Kontakt haben durfte. Was für mich aber sehr schmerzhaft und auch heute noch schwierig ist, ist, dass meine Mutter meinem Vater nie vergeben hat. Schon immer hat sie im Halbsatz negatives über ihn gesagt oder auch ganz offen. Das aber hauptsächlich zu mir, selten aber zu ihm. Wenn ich heute mit meinem Vater spreche, dann merke ich oft, wie ihm gar nicht bewusst ist, wie sehr er meine Mutter damals verletzt hat.
Und es tut mir sehr leid für sie, weil sie das niemals überwunden hat und es sie noch heute in ihrer Beziehung zu ihm und auch zu anderen hemmt. Ich wünsche mir sehr, dass sie mal einee Gesprächstherapie macht oder mit ihm darüber spricht, aber dazu ist sie nicht bereit. Jedenfalls war ich immer das Kind, das zwischen den Stühlen saß. Ich liebe meine beiden Eltern sehr, auch meinen Stiefvater, der mich aufgezogen und mir mit seiner bedachten, strengen, aber fairen Art ein großes Vorbild war. Und gerade deshalb empfinde ich es als herben Verlust, dass ich sie niemals zusammen einladen kann, weil jeder dieser Menschen wirklich wertvoll ist und wenn sie sich miteiander versöhnen würden, sich eben auch gegenseitig bereichern könnten. So muss ich das alles immer irgendwie umschiffen. Und die Trennung meiner Eltern ist jetzt knapp 27 Jahre her und meine Mutter wieder glücklich verheiratet mit zwei wunderbaren Kindern und einem gutem Beruf. Ich glaube, dass es für sie ein großer Segen war, dass sie meinen Vater kennen gelernt hat und mit ihm ein neues Leben beginnen konnte. Mein leiblicher Papa hätte sie nur unglücklich gemacht.
Jedenfalls hat mein Papa aber Soziale Arbeit studiert und was mich davon abgehalten hat es in Erwägung zu ziehen, war die Angst vor dem Satz meiner Mutter "Du willst Soziale Arbeit studieren. Wie dein Vater." Ja, Mama, wie Papa. Sorry, dass ich von ihm abstamme. Ist nicht meine Schuld. Ihr habt mich gezeugt. *lach* Das ist meine trotzige Antwort darauf.
Der Abend gestern war sehr befreiend, was das anging. Einfach mal auch mit jemandem über so eine "Kleinigkeit" reden zu können. Das ist wunderbar und befreiend. Die Liebe von Jesus strahlt einfach aus den Menschen und wenn man sich darauf einlässt und öffnet und eben auch die schmerzhaften Dinge bespricht, lässt man das negative los und erhält so viel Gutes dabei.
Jedenfalls hat es mir das Hemmnis genommen, dass mich jahrelang davon abgehalten hat, es ernsthaft in Erwägung zu ziehen Soziale Arbeit zu studieren. Ich habe mich damit schon öfter befasst. Und was dabei besonders witzig ist, dass ich tatsächlich ein Problem damit habe, dass man am Ende mit dem Abschluss gefühlt alles machen kann, was mit Menschen zu tun hat. Wie alles? Was heißt das denn?
Das Enneagramm... [spätere Anmerkung der Autorin, 19.01.2025: Mittlerweile distanziere ich mich bewusst vom Enneagramm und spreche keine Empfehlung mehr aus - eine ausführlichere Begründung dazu findest Du hier]
Ich habe in meinem letzten Post kurz das Enneagramm erwähnt. Dabei handelt es sich um ein Persönlichkeitsmodell, dass einem seine Wurzelsünde aufzeigt und gleichzeitig die Gaben, die damit im Guten verbunden sind. Außerdem hilft es einem sich weiterzuentwickeln, blinde Flecken zu entdecken, gesund zu werden und auch die eigenen Schwächen anzunehmen. Ich kann es nur empfehlen sich damit auseinander zu setzten. Auf Deutsch gibt es das von Andreas Ebert und Richard Rohr. Wer des Englischen mächtig und interessiert ist, dem empfehle ich sehr die Youtube-Video von Dr. Tom LaHue Er hat zu allen Typen und ihren Höhen und Tiefen gute und ausführliche Videos gemacht, die einem auch im Selbststudium helfen sich damit zu beschäftigen und sich weiterzuentwickeln.
Meine Verhaltensmuster entsprechen dem Typ 7. Das bedeutet grundlegend, dass ich ein Typ bin, der sehr offen ist und es schätzt alle Möglichkeiten der Welt zu nutzen. Deshalb ist es so absurd, dass ich den Soziale Arbeit Studiengang bisher abgelehnt hatte. Aber was eben auch ein Verhaltensmuster meines Typs ist, ist, dass ich Dinge gerne möchte und auch weiß, dass ich sie will, aber niemanden damit verletzen möchte. Und das führt häufiger zu so einer Art Märtyrer-Verhalten, d.h. ich opfere alle meine Wünsche und Vorstellungen für die Menschen, die ich liebe. Das kann sehr gut sein, dadurch, dass ich eben auch eine hohe Opferbereitschaft mitbringe und dadurch Menschen nicht so schnell aufgebe wie andere. Gleichzeitig führt es eben zu einem "zu viel", sodass ich auch meine eigenen Grenzen schnell überschreiten kann. Und da muss ich sagen, dass mir mein Glaube extrem geholfen hat, weil Jesus nämlich sagt "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." Deshalb stelle ich mir häufiger die Frage "Würdest du dieses Opfer von deinem Gegenüber auch verlangen?". Das hat mir an vielen Stellen geholfen das richtige Maß zu finden. Und, was man bei alle dem nicht vergessen darf, Jesus hat bereits das Opfer für uns erbracht. Wir müssen uns selbst nicht mehr auf eine ungesunde Art und Weise opfern, sondern dürfen erlöst und geheilt in vollen Zügen leben. Mit unseren Stärken und Schwächen.
Was jetzt ansteht..
Ich werde die nächsten Tage dazu nutzen noch mit ein paar anderen ehemaligen Studenten der Sozialen Arbeit zu sprechen. Ich werde mich auf den Websites der Hochschulen informieren und mir paar Erfahrungsberichte auf Youtube von Sozialarbeitern&Co anschauen, um etwas besser einschätzen zu können, was da auf mich zukommen würde. Ab 01. Mai beginnt dann die Bewerbungszeit bei der HTWK Leipzig und ich werde mich entsprechend bewerben.
Im Moment spüre ich tatsächlich eine große Befreiung, was das Berufsthema angeht und hoffe, dass es so bleibt. Bin gespannt, was darauf wird.
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