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Eine Zyklus-Theologie (Ja, echt!) - Rachel Jones

Als ich den Buchtitel auf der Instagram-Seite des SCM Verlags sah, war ich sofort angetan und wollte das Buch unbedingt lesen. Schon seit einiger Zeit beschäftigt mich das Thema Zyklus auf privater Ebene und ich habe viel darüber nachgedacht, was Gott sich dabei eigentlich gedacht hat und ob es anderen Frauen auch so geht wie mir. Besonders drängte mich die Frage, ob mein sündhaftes Verhalten bzw. die Sünde der Welt an sich dazu beiträgt, wie es mir mit meiner Periode und dem Drumherum geht.


Rachel Jones ist Autorin zahlreicher Bücher, Bloggerin und Teil der Redaktion The Good Book Company. Sie lebt in London und hat unter dem englischen Titel A Brief Theology of Periods 2021 ein Buch "über Gott, Hormone, Weiblichkeit, Schmerz und Sinn" veröffentlicht, das 2023 nun auch in Deutschland erschienen ist.


Das knapp 124 Seiten lange Buch (plus Anhang) beginnt mit den Gründen für den Zyklus und geht über das Auseinandersetzen mit dem dahinter liegenden Potenzial über Schmerz, Elend, Gefühle und Zeit hin zum Blut. Dabei liegt der Fokus aber vor allem auf der Menstruationszeit und weniger auf dem ganzen Zyklus.


Das Buch ließ sich gut lesen, auch wenn mir persönlich der Schreibstil der Autorin nicht ganz so angenehm ist, was aber Geschmackssache ist. Letztendlich schreibt sie wie sie mit einer guten Freundin reden würde und das ist bei diesem Thema eine durchaus angebrachte Art und Weise.


Wer bei diesem Buch also eine wissenschaftliche Abhandlung über körperliche Vorgänge mit einer Brücke zur Theologie erwartet, der wird enttäuscht werden. Ich hatte gehofft ein paar Dinge auf biologischer Ebene erklärt zu bekommen, weil ich großes Interesse an Übereinstimmungen von Wissenschaft und Glaube habe, doch die Autorin spricht gleich am Anfang klar an, dass sie kein medizinisches Fachwissen besitzt und sich daher auch nicht anmaßt zu diesem Teil etwas zu sagen. Das finde ich persönlich schade, tut dem Buch aber keinen Abbruch, weil es eben auf einer anderen Ebene zum Leser spricht.


Besonders haben mir die Passagen zu Schmerz, Schwäche und Schamgefühlen gefallen, da sie grundlegende Probleme ansprechen, die letztendlich nicht nur Frauen mit Periode betreffen, sondern alle Menschen.


"Manchmal ist es hilfreich, die Zerbrechlichkeit unseres Körpers und die Grenzen unserer emotionalen Ressourcen anzuerkennen. Wir sind nicht Gott. Wir sind geschaffene Wesen. Wir sind nicht verpflichtet, grenzenlos zu sein." (S. 54)


Damit spricht die Autorin nicht nur allgemeine menschliche Verhaltensweisen an, sondern übt indirekt auch Kritik daran, wie wir in unserer Gesellschaft eigentlich Weiblichkeit wahrnehmen und leben.

Sie spricht die Idee des Zyklusurlaubs an - was der Gleichstellung widerspricht, die ja aber zahlreich gefordert wird - und schildert in der Gegenüberstellung immer wieder die weltliche und die christliche Sicht auf einzelne Aspekte. Beispielsweise, dass Männer und Frauen eben nicht in Konkurrenz zueinander leben müssen, sondern in Ergänzung miteinander leben können, wodurch ein zyklusangepasstes Arbeitsmodell für Frauen eine denkbare Alternative wird.


Schön finde ich auch die ständig wiederkehrende Hinführung zu Jesus. Rachel Jones greift ganz praktische Alltagsdinge auf und verkündet darüber die frohe Botschaft des Evangeliums mal eben so nebenbei. Da erkenne ich wahre Anbetung einer gläubigen Frau.


Das Buch ermutigt zur Selbstwahrnehmung, zur Selbstoffenbarung und zur Selbstannahme. Wir dürfen schwach sein und können trotzdem starke Frauen sein. Deshalb ist das Buch lesenswert und gleichzeitig kann das Buch dabei helfen den eigenen Zyklus mal auf eine andere Weise zu durchdenken und vielleicht sogar einen gesünderen Blickwinkel zu erhalten.


Für Männer ist meiner Meinung nach nicht jedes Detail in diesem Buch relevant, doch letztendlich sind die Männer diejenigen, die sehr oft hilflos daneben stehen und mit der oft plötzlich auftretenden Emotionalität der Frauen nicht umzugehen wissen. Vielleicht hilft es dieses Thema aus einer theologisch-weiblichen Perspektive zu betrachten und dadurch

1. ein paar (Berührungs-) Ängste fallen lassen zu können,

2. eine liebevolle Perspektive für das Leid der Partnerin zu entwickeln und

3. dazu beizutragen, dass die gesellschaftliche Scham kleiner wird.


"Es werden immer mehr Stimmen laut, die sagen, dass es höchste Zeit ist, dass wir diese Schamhaftigkeit überwinden." (S.59)


Auch die Schuld der Religion zur Scham verschweigt Rachel Jones nicht und spricht unter anderem 3. Mose 15 an, wo die menstruierende Frau als unrein beschrieben wird und sich deshalb vom Heiligtum des Herrn fernhalten soll.


"Der Rest der Heiligen Schrift versichert uns, dass in 3. Mose 15 etwas Wertvolles zu finden ist [...] und deshalb muss es auch so sein. Aber was ist es?" (S. 65)


Es geht um Reinheit und Unreinheit. Die Erläuterung diese Begriffe macht deutlich, wie schnell wir Menschen doch unrein werden und wer unrein ist, konnte im alten Bund nicht in Gottes Heiligtum eintreten, weil er dann sofort gestorben wäre. Und dasselbe gilt für uns auch heute noch, wenn wir einmal Gott, dem Vater, begegnen wollen.


"Ohne Gottes gnädiges Eingreifen ist die Kluft zwischen ihm und den Menschen tief und unüberwindlich. Wir können uns nicht rein machen oder rein bleiben, indem wir uns mehr anstrengen." (S.68f.)


Und das führt den Leser wieder hin zu Jesus, der gestorben ist, um uns rein zu machen und durch dessen Auferstehung wir nun Anteil am ewigen Leben haben und eben auch an der Reinheit. Und alles, was wir dafür tun müssen, ist glauben.


Der Höhepunkt des Buches war für mich das Kapitel über Gefühle. Ich habe selbst sehr damit zu kämpfen, weil es sich eben nicht nur auf mich, sondern auch auf andere auswirkt, wenn ich wieder mal gestresst bin. Und an diesem Punkt gerate ich dann auch in geistlicher Hinsicht in Bedrängnis, denn wie kann ich meinen Nächsten lieben wie mich selbst, wenn ich überreizt und gestresst bin?

Letztendlich kann ich die Verantwortung für mein Verhalten nicht wegschieben, selbst, wenn es die Hormone meiner fleischlichen Natur sind, die mich in Bedrängnis bringen.

Doch es ist gut zu lesen, dass es auch für andere eine Herausforderung ist, damit umzugehen und wir uns auch da ganz auf Christus verlassen dürfen.


"Die Zuwendung, die Rechtfertigung und die Annahme, die Jesus uns schenkt - das ist der Ort, an dem wir ansetzen sollten, egal, mit welchem Problem oder welcher Sünde wir zu kämpfen haben und an welchem Tag im Monat wir damit konfrontiert sind." (S. 84)


Die Autorin spricht in diesem Buch die schönen und unschönen Aspekte des Zyklus an und bringt sie in einen theologischen Zusammenhang.

Der folgende Satz bringt es für mich auf den Punkt:


"Christliche Frauen müssen keine Superheldinnen sein, die nach innen schauen und sich damit brüsten, dass sie Powerfrauen sind. Wir sind Töchter Gottes, die auf Jesus schauen und unsere Stärken darin finden, dass er unsere Stärke ist." (S. 78)


Bist Du bereit Deine Schwäche anzunehmen?


Das Buch findest Du im SCM-Shop, auch als E-Book.

Ich finde, es ist auch ein schönes Geschenk für eine Freundin, von der man weiß, dass sie mit dem Thema hadert, oder deren Ehemann oder den eigenen Pastor.


Anhang:


Worum geht es im Anhang des Buches?


Rachel Jones greift dort noch einmal einzelne Fragen auf, die uns beschäftigen können. Wie kann ich mit meinen Kindern darüber sprechen? Hatte Eva schon eine Periode? Wie kann ich als Mann meiner Frau beistehen? Sehr nice.

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